Fünf: Glauben teilen und Fremde aufnehmen

  • geschrieben von  Caritas on Tour

Barmherzig 5 2

Kennen Sie Ihre Nachbarn? Vielleicht haben Sie schon einmal ein Paket für sie angenommen, deren Blumen gegossen oder auf das Kind aufgepasst? So in etwa erleben wir auch unsere unmittelbaren Nachbarn an der Fibigerstraße 44 in Ochsenzoll, einer Wohnunterkunft von fördern und wohnen. Hier leben ca 200 Zuwanderer aus 15 Ländern als Familien, aber auch als alleinstehende Frauen oder als Erkrankte, die nicht in den Containerdörfern leben können.

Wir sind weiter auf Sommertour und heute mit unserem Team eingeladen bei Jolanta Oesterheld, der Unterkunftsleiterin. Schon 25 Jahre arbeitet sie bei fördern und wohnen und ist zugleich Coach für junge, neue Kolleginnen, die sie fit macht für deren Einsätze in anderen Standorten. Während sie auf uns warten, (Stau an der Baustelle Stockflethweg) hat sich schon etwas unter den Dreien ereignet. Frau Oesterheld sagt uns, dass sie sich so gefreut habe in der Wartezeit zu hören wie die eine Kollegin, die sie selbst eingearbeitet hat, nun ihrerseits alles gewissenhaft an die ganz neue Mitarbeiterin weitergibt: “Da habe ich das Gefühl nicht alles falsch gemacht zu haben.“ Wie immer untertreibt Jolanta Oesterheld, die selbst aus Polen kommt und nebenberuflich in der polnischen Schule beim Generalkonsulat noch polnische Sprache und Kultur unterrichtet. Und die anderen beiden: Denitsa Jürgensen ist seit Dezember in der Fibigerstraße und wird bald selbst eine Unterkunftsleitung in Hamburg übernehmen. Claudia Madayka ist die Neue. Nach Elternzeit und mit dem Studium der Sozialwissenschaften ist sie genau die Richtige, um Jolanta Oesterheld entlasten zu können. In vergangener Zeit hat Jolanta oft alleine „den Laden geschmissen“, die Leute betreut, die Kinder in Schulen vermittelt, die Waschmarken ausgegeben, die Ehrenamtlichen begleitet und immer ein offenes Ohr behalten.

Auch mir hat sie am Anfang der Caritaskoordination mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Gleich in den ersten Wochen kam sie nach St.Annen und stellte ihre Arbeit vor. Viel ist daraus geworden. Inzwischen sind etliche Gemeindemitglieder aus der Pfarrei hier ehrenamtlich tätig. Ganz besonders neugierig ist auch Josephine Timm aus der Gemeinde Hl.Familie dabei. Auf unserer Sommertour lernt sie gern viele Menschen kennen, die in den Arbeitsfeldern wirken, die sie selbst anstrebt.

   Barmherzig 5 3
 

Heute sind wir fünf aber einfach zum Kaffeetrinken verabredet. Wir überreichen Blumen und Kaffee und Plätzchen, die die vielen Besprechungen unserer Nachbarinnen verschönern könnten. Unter Nachbarn soll es ja angeblich drei Tabuthemen im Gespräch geben: Geld, Glaube und Politik. Was das angeht, so machen wir alles falsch. Unser Gespräch dreht sich ziemlich schnell um das Thema Fluchtgründe, die ja auch mit unserem Konsumverhalten zusammenhängen. Selbstkritisch hören wir etwas über Polens Flüchtlingspolitik und vor allem der Rolle der Kirche. So sind wir schon beim zweitem Tabuthema Glauben. Einig sind wir uns über den Vorbildcharakter von Papst Franziskus. Die Fastenzeit bei uns Christen und den Ramadan der Muslime bewerten wir unterschiedlich. Wir sprechen über gemeinsame Fortbildungen in denen wir den Islam näher kennengelernt haben. Wir kommen auf die Gottesmutter Maria zu sprechen, die auch im Islam verehrt wird. Und so outen wir uns plötzlich alle als Christinnen. Drei sind katholisch, eine evangelisch und eine orthodoxer Konfession. Unser Erzählen wird persönlicher, andere sagen „Zeugnis geben“. Das war gar nicht geplant, muß wohl noch jemand sich dazugesetzt haben: Der heilige Geist? Mir fällt die Bibelstelle ein:

„Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund.“

Lk 6, 45

Josephine bekommt am Ende des Gesprächs noch einen Praktikumsplatz angeboten. Sie strahlt. Für uns wird es Zeit den Koffer der Barmherzigkeit zu öffnen. Wir laden ein zu einer nächsten Begegnung in unseren Räumen in St.Annen. Diesmal sind auch die Bewohner und Bewohnerinnen mit eingeladen zu einer internationalen Begegnung. Inzwischen haben sich dafür schon Frauen aus Tschetschenien, Ägypten und Syrien angemeldet. Ganz erfüllt verlassen wir diesen Ort an dem die Barmherzigkeit lebt. Nicht wir konnten beschenken, wir wurden beschenkt. Nicht wir konnten Glauben bringen, wir fanden ihn vor. Nicht wir konnten lehren und bilden. Wir wurden an die Hand genommen von unseren Schwestern und Brüdern im Herrn. Dank sei Gott für diesen Nachmittag.  

 

Barmherzig 5 4
 

Hier erfahren Sie alles über das Projekt "Koffer der Barmherzigkeit":
Hier klicken

 

 

Artikel bewerten
(5 Stimmen)
Durchblättern der Artikel (vor/zurück): « Vier: Gutes tun Sechs: Hungrigen zu essen geben »
Nach oben